Regionale Konflikte und Kooperation in Südostasien aus der Sicht Malaysias

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Ariffin Omar
Der Verfasser ist Dozent für Geschichte Südostasiens an der University Sains Malaysia in Penang sowie Gründungsmitglied und zeitweiliger Präsident der Reformbewegung ALIRAN.

Hintergrund

Regionale Konflikte und Kooperation sind in Südostasien ein delikates Thema. Versuche, regionale Konflikte abzubauen und Kooperation unter den Ländern Südostasiens zu fördern, gehen zurück bis in die 60er Jahre. Für uns in Malaysia ist es schwer, nicht an die bedrohliche Zeit der indonesischen "Konfrontation" gegen uns zu denken, die im Grunde ein unerklärter Krieg war, der 1963 begann und erst mit der Zerschlagung der Kommunistischen Partei Indonesiens (PKI) 1965 beendet war.

Was die Konflikte angeht, muß dieser als einer der bis heute schwerwiegendsten bezeichnet werden. Die "Konfrontation" begann, weil die Republik Indonesien in der Bildung Malaysias 1963 einen neokolonialen Staat unter westlicher Kontrolle sah, der gegründet worden war, um die Existenz der Republik Indonesien zu bedrohen.

Erst nach dieser "Konfrontation" wurden von den verschiedenen südostasiatischen Staaten Versuche unternommen, regionale Zusammenschlüsse aufzubauen, die eine regionale Kooperation fördern und die Konflikte abbauen sollten.

1960 machten die damalige Föderation Malaya, die Philippinen und Thailand den ersten Versuch, die Kooperation durch die Bildung einer Association of Southeast Asia (ASA) voranzubringen, was allerdings scheiterte. Als Versuch, der indonesischen Konfrontation gegen die Bildung Malaysias vorzubauen, wurde im August 1963 Maphilindo (eine Zusammensetzung aus den Namen der Mitgliedsstaaten Malaya, Philippinen und Indonesien) gegründet. Es verschwand in den Flammen der indonesischen Konfrontation und den Ansprüchen der Philippinen auf Sabah, einen Bundesstaat Malaysias auf Borneo.

Mit dem Ende der "Konfrontation" 1965 und der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Indonesien und Malaysia, waren die Bedingungen geschaffen, 1967 die Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) ins Leben zu rufen. ASEAN bestand aus Malaysia, Indonesien, Thailand, den Philippinen und der Republik Singapur. Anders als ASA oder Maphilindo, war ASEAN bei der Verstärkung der Zusammenarbeit erfolgreich. Sie verringerte Malaysias Ängste vor Übergriffen durch seine Nachbarn erheblich und bestätigte seinen Status als respektierte, souveräne Nation.

Konfliktpunkte heute: Sabah

Trotz der durch die Bildung von ASEAN angestrebten rosigen Zukunft gab es zweifellos weiterhin Konflikte, die schwer zu lösen waren. War die Beendigung der "Konfrontation" Indonesiens gegenüber Malaysia ein Erfolg der südostasiatischen Zusammenarbeit, bleibt der Anspruch der Philippinen auf Sabah als Problem bestehen. 1962 hatte der damalige philippinische Präsident D. Macapagal seine Opposition gegen die Bildung Malaysias 1963 damit begründet, daß die Überlassung Nordborneos (heute Sabah) an die Engländer durch das Sultanat von Sulu (heute Teil der Philippinen) als Verpachtung und nicht Verkauf zu verstehen war.

Glücklicherweise führte der Anspruch der Philippinen auf Sabah nicht zu einer bewaffneten Auseinandersetzung. Seine Durchsetzung wurde auf diplomatischer Ebene betrieben. Nach der Wahl Ferdinand Marcos' zum Präsidenten erkannten die Philippinen im Juni 1966 den Staat Malaysia an, brachten aber gleichzeitig zum Ausdruck, ihren Anspruch auf Sabah weiterhin zu verfolgen. Marcos Nachfolgerin, Corazon Aquino, und heute General Fidel Ramos haben die Ansprüche auf Sabah nicht mehr aktiv verfolgt. Das Problem ist aber noch nicht gelöst.

Verhältnis zu Singapur

Ein weiteres Konfliktgebiet ist das Verhältnis zwischen Singapur und Malaysia. Singapur war ein Hauptbetreiber der Bildung Malaysias zusammen mit dem damaligen Nordborneo und Sarawak. Man glaubte damals sogar, daß, wenn Singapur nicht der Föderation Malaysia beiträte, die düstere Möglichkeit bestünde, daß der Inselstaat in die Hände der Kommunisten fallen und den Frieden und die Sicherheit in Südostasien gefährden würde.

Allerdings hätte der Beitritt Singapurs zu Malaya den Anteil der chinesischstämmigen Bevölkerung erheblich erhöht, und diese Tatsache zusammen mit der Vorherrschaft chinesischstämmiger Bevölkerung in bestimmten Teilen der malaiischen Wirtschaft hätte eine Bedrohung der einheimischen Malaien in ihrem eigenen Land bedeuten können. Um ein Gegengewicht zu den Chinesen im Land zu schaffen, wurden Nordborneo (Sabah) und Sarawak in die neue Föderation Malaysia einbezogen. Aber selbst das konnte die Spannungen in vielen Fragen zwischen Singapur und Malaya nicht verhindern. Der Hauptgrund für die endgültige Abtrennung Singapurs im August 1965 war die Unversöhnlichkeit zwischen der von Malaien dominierten Zentralregierung und der unter Führung von Lee Kuan Yew stehenden chinesischstämmigen Regierung Singapurs. Glücklicherweise vollzog sich die Loslösung friedlich und führte zu keinerlei weiteren Konflikten. Beide Nationen arbeiten nun in ihrem eigenen Interesse eng zusammen und haben ein Verteidigungsabkommen geschlossen, welches zur gegenseitigen Hilfe bei Bedrohung von außen verpflichtet.

Allerdings gibt es nach wie vor einige Konfliktpunkte. Einer der wichtigsten ist die Wasserversorgung Singapurs durch den malaysischen Bundesstaat Johore. Der Wasserbedarf Singapurs wächst aufgrund der zunehmenden Bevölkerung sowie durch die steigende Nachfrage seitens der Industrie. Aber der Bedarf an Wasser aus Johore von anderen malaysischen Bundesstaaten wie Malakka, Pahang und Negri Sembilan steigt ebenfalls beständig. Es ist unwahrscheinlich, daß Johore auf unbegrenzte Zeit Singapur Wasser zur Verfügung stellen kann.

Während die Wasserfrage die Beziehungen Singapurs zu Malaysia komplizierter machen könnte, muß ein wesentlich drängenderes Problem schnell gelöst werden, nämlich die Nutzung des malaysischen Luftraumes durch die Luftwaffe Singapurs sowie der Luftwaffen anderer Länder, die in Singapur Zwischenlandungen machen. Nach einem Bericht der malaysischen New Sunday Times vom 7.6.1992 ereigneten sich in den letzten 24 Jahren in Johore elf Abstürze von ausländischen Militärflugzeugen, darunter acht aus Singapur, zwei aus den USA und eines aus Australien. Diese Abstürze sind ein merkliches Risiko für die Malaysier, die in Johore leben, und richten ziemlichen Schaden an. Es ist nötig geworden, über die Luftkorridore neu zu verhandeln, um die Bedrohung der malaysischen Bürger in Johore zu reduzieren.

... zu Indonesien

Malaysias Beziehungen zu Indonesien sind zur Zeit nicht gerade die besten. Einmal gibt es das Problem der illegalen indonesischen Migranten, die in Malaysia einen Job suchen. Heute sind es 200.000, und sie bilden ein Problem für Gesetz und Ordnung. Ferner können sie das zerbrechliche ethnische Gleichgewicht zwischen den malaiischen und chinesischstämmigen Bürgern stören, wenn sie in irgendeinen ethnischen Konflikt hineingezogen würden. (Indonesier aus Sumatra und Malaien sind meist von gleicher ethnischer Abstammung, d.Ü.)

Hinzu kommt der anhaltende Streit zwischen Malaysia und Indonesien um die Inseln Ligitan und Sipadan vor der Küste von Sabah (an der Grenze zu Indonesien, d.Ü.). Nach einem Bericht der New Straits Times vom 4.6.92 hatten sich malaysische und indonesische Vertreter getroffen und erfolglos über die umstrittenen Inseln verhandelt. Im Oktober 1993 berichtete die New Straits Times über eine aggressive Erklärung des indonesischen Marine-Kommandeurs Tantino Kuswanto, daß die Marine Indonesiens entschlossen sei, die Inseln bei allen äußeren Bedrohungen zu verteidigen, und daß Sipidan und Ligitan integrale Bestandteile indonesischen Territoriums seien. Diese Erklärung beunruhigte Malaysier, die sich an die Tage der indonesischen Konfrontation erinnerten sowie an die Invasion von Osttimor.

Immerhin war es beruhigend, vom indonesischen Präsidenten Suharto im Dezember 1993 zu hören, daß Malaysia und Indonesien verpflichtet seien, ihren Streit um Sipadan und Ligitan gütlich zu lösen. Um einen friedlichen Lösungsweg von seiten Indonesiens zu unterstreichen, erklärte der frühere indonesische Außenminister Mochtar Kusuma Atmadja am 13.12.93, daß Indonesien nicht so emotional wegen der Inseln Sipadan und Ligitan reagieren brauche und schlug vor, daß ein Weg gefunden werden solle, wie beide Länder diese Inseln gemeinsam nutzen können.

... zu den Philippinen

Zwar wurde Malaysias Streit mit den Philippinen um die Ansprüche auf Sabah auf Eis gelegt, dafür enstand ein neuer Konflikt über die Razzia der malaysischen Polizei unter 1200 in Malaysia arbeitenden philippinischen Hausmädchen bei einer Kirche in Kuala Lumpur. Malaysia behauptet, daß die Razzia nötig gewesen sei, da es Filipinas in Malaysia gäbe, die illegal im Land arbeiten. Die Philippinen protestierten gegen diese Aktion und fordern von den malaysischen Behörden, in Zukunft etwas sensibler und taktvoller bei Operationen dieser Art vorzugehen.

Situation in der Region

Ein sehr viel ernsteres Problem in Südostasien sind die Besitzansprüche mehrerer Staaten auf die Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer. Malaysia, die VR China, Taiwan, Vietnam, die Philippinen und Brunei erheben Anspruch auf diese winzigen Atolle oder auf Teile davon. Die Möglichkeit eines bewaffneten Konfliktes sind in der Tat sehr groß. So führten China und Vietnam 1988 einen kurzen aber blutigen Krieg um ihre Ansprüche auf die Spratly-Inseln. Malaysia weist die Ansprüche anderer Nationen auf die Spratly-Inseln zurück, da die Regierung sie als malaysisches Territorium betrachtet.

Allerdings wäre es eine allzu pessimistische Sichtweise abzuschließen, ohne die positiven Aspekte der Kooperation hervorzuheben. Im Falle des schwierigen Krieges zwischen der philippinischen Regierung und den Moro-Muslimen in den Südphilippinen muß man sehen, daß Indonesien zur Lösung des Konfliktes eine Schlüsselrolle spielt. Beide Seiten trafen sich Ende 1993 in Jakarta und verständigten sich, über ihre Konflikte zu verhandeln und sie mit friedlichen Mitteln zu lösen.

Zusammenfassen läßt sich, daß es Konflikte unter den süostasiatischen Nationen gegeben hat und auch sicherlich weiterhin geben wird, daß diese aber nicht zu bewaffneten Auseinandersetzungen geführt haben. Im Gegenteil wurde immer wieder mit Entschlossenheit versucht, sie auf diplomatischen Wegen und friedlich zu lösen.

Übersetzung aus dem Englischen von Peter Franke

Aus Südostasien Informationen Nr. 3/1994, S. 37 - 38

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Stand: 12. January 1998, © Asienhaus Essen / Asia House Essen
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