Philippinen 1987 - 1993:
Vom Vorbild zum Scharfrichter

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Silvia Biondi
Studentin der Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Menschenrechte an der Universität Rom

1987 haben die Philippinen als erstes Land in Südostasien die Todesstrafe abgeschafft. Dieser Schritt hatte eine große Bedeutung, da das Land nach der Diktatur von Ferdinand Marcos den Menschenrechten wieder einen wichtigen Platz in seiner Verfassung zuwies und damit eine neue Periode in seiner Geschichte einleitete. Mit der Verfassung von 1987 sind die Philippinen ein Vorbild für die ganze Region Südostasiens, wo die meisten Länder weiterhin die Todesstrafe anwenden. Die internationale Gemeinschaft hat diesen Schritt als Zeichen der Hoffnung gewertet und damit den Vorbildcharakter der Philippinen herausgestellt.

Jedoch wurde im Dezember 1993 die Todesstrafe wieder eingeführt. Dieser (Rück-) Schritt wurde mit dem Argument legitimiert, daß die Kriminalitätsrate im Land dramatische Ausmaße angenommen hätte. Mit einem Durchschnitt von 12 Todesurteilen pro Monat in weniger als fünf Jahren steht das Land weltweit an der Spitze.

Die Geschichte der Todesstrafe in den Philippinen

Das spanische Strafgesetzbuch von 1848 wurde erst 1884 auf den Philippinen eingeführt und blieb auch unter der Administration der USA weiterhin rechtskräftig. Die erste Neufassung wurde 1952 angefertigt und führt sieben Kapitalverbrechen auf, für welche die Todesstrafe verhängt werden konnte: Landesverrat, Entführung, Vergewaltigung, Mord, Piraterie, schwerer Raub und Raubmord.

Nach dem 2. Weltkrieg fielen die Philippinen unter japanische Herrschaft und viele Landarbeiter schlossen sich zu Befreiungsbewegungen zusammen. Als quasi anti-kommunistische Maßnahme verabschiedete die Regierung ein weiteres Gesetz und ermöglichte damit, die Todesstrafe auch als politisches Instrument zu nutzen.

Unter der Regierung von Ferdinand Marcos (1965-1986) wurden die Grund- und Menschenrechte systematisch ignoriert und die Todesstrafe wurde nicht nur gegen »gewöhnliche« Kriminelle eingesetzt, sondern auch als Instrument des Terrors gegen politische Gegner gebraucht. Zwischen 1971-72 wurden zwei neue Kapitalverbrechen hinzugefügt: Flugzeugentführung und der Besitz von Drogen konnten mit dem Tod bestraft werden.

Von 1972-1981 stellte Marcos das Land unter Kriegsrecht und machte sich damit zum Alleinherrscher. Unter dem Vorwand, gegen die Kommunisten vorzugehen, erhöhte er die Anzahl der Kapitalverbrechen auf 24. Eine hohe Verurteilungsrate zeigt, wie ausgiebig die Regierung davon Gebrauch machte und auch geringfügige Delikte mit drakonischen Strafen verfolgte. Die letzten Hinrichtungen auf dem elektrischen Stuhl fanden 1976 statt und waren, trotz eines Verbotes, im öffentlichen Fernsehen zu sehen.

Der letzte elektrische Stuhl wurde bei einem Feuer zerstört und der oberste Gerichtshof mußte nun eine Lösung für die Verurteilten, die schon im Todestrakt auf ihre Hinrichtung warteten, finden. Unter der Regierung von Corazon Aquino wurde eine neue Verfassung verabschiedet,die die Todestrafe abschaffte.. Weiterhin wurde eine neue Menschenrechtscharta unterzeichnet und eine unabhängige Kommission für Menschenrechte eingerichtet. Außerdem wurden zwei wichtige internationale UNO-Abkommen ratifiziert: Die Konvention gegen den Einsatz von Folter und der Vertrag über zivile und politische Rechte (ICCPR). Nach der Verabschiedung der neuen Verfassung kündigte die Präsidentin an, daß die Strafen der 500 inhaftierten Todeskandidaten in lebenslange Haftstrafen umgewandelt würden. Die Entscheidung die Todesstrafe abzuschaffen, wurden vor allem von vier Argumenten beeinflußt, die die Verfassungskommission für signifikant hielt:

  • Die Todesstrafe ist unmenschlich, da sie sowohl für den Verurteilten als auch für dessen Angehörigen traumatische Folgen hat.

  • Es gibt keine Beweise, daß die Todesstrafe irgendeine abschreckende Wirkung hat und andere Menschen von kriminellen Taten abhält.

  • Das Leben ist ein Geschenk Gottes und darf deswegen nicht von Menschenhand ausgelöscht werden (man beachte die stark katholische Prägung der Philippinen!)

  • Ein Strafverfolgungssystem, das sich eher für Rehabilitation und Prävention einsetzt, hat für die Bevölkerung eher Vorbildcharakter als ein durch pure Vergeltung geprägtes System.

Nach einem Jahr versuchten mehrere Mitglieder der Armee den Kongress zu überzeugen, die Todesstrafe wieder einzuführen. General Fidel Ramos, der damalige Chef des Militärs, sprach sich für die Todesstrafe aus, vor allem in Fällen von »Rebellion« und Drogenschmuggel. Im Gegensatz zu 1987 wurde der neue Gesetzentwurf dem Senat präsentiert, aber dieser sprach sich gegen eine Gesetzänderung aus, weil die Debatte zwischen den Befürwortern und den Gegnern der Todesstrafe sehr scharfe Positionsunterschiede zu Tage förderte.

Als General Ramos 1992 zum Präsidenten gewählt wurde, kam es jedoch zu einer Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Fraktionen. In einer Regierungsansprache machte er es zu einer Priorität seiner Regierungspolitik, die Todesstrafe wieder einzuführen. Als Grund wurde erneut die gestiegene Kriminalitätsrate angeführt, die im öffentlichen Bewußtsein immer mehr Besorgnis hervorrief und die Regierung dazu veranlaßte, den »Republic Act 7659« zu verabschieden, der im Dezember 1993 von Präsident Ramos unterzeichnet wurde und seit dem Januar 1994 in Kraft ist. Nach diesem Gesetz können 13 Verbrechen mit dem Tode bestraft werden: Mord, Piraterie, Korruption, Kindesmord, Entführung, Drogenbesitz, Vergewaltigung, Brandstiftung, Raubmord, Vatermord, Landesverrat, Betrug über der Summe von 2 Mio. Dollar und Autodiebstahl.

Die Todesstrafe kann nur verhängt werden, wenn der Täter zur Zeit des kriminellen Delikts über 18 Jahre alt ist, er darf aber auch nicht älter als 70 sein. Die Hinrichtungen sollen nicht früher als ein Jahr, jedoch nicht später als 18 Monate nach der Verurteilung stattfinden. Der Präsident kann das Todesurteil widerrufen und eine Amnestie aussprechen. Als Ergänzung dazu führte Ramos im März 1996 den »Republic Act 8177« ein, der die Hinrichtung mit einer tödlichen Dosis Gift vorschreibt — diese Methode wird als die humanste und »günstigste« eingeschätzt. Dieses Gesetz rief eine heftige Diskussion hervor und die Vereinigung der philippinischen Ärzte weigerte sich, an den Hinrichtungen teilzunehmen und begründete dies mit dem Hippokratischen Eid. Das Problem wurde jedoch schnell gelöst, weil die außergewöhnliche Bezahlung einen großen Anreiz für die Ärzte bot.

Seit Januar 1994 wurden 400 Menschen zum Tode verurteilt, die erste Hinrichtung seit der Wiedereinführung der Todesstrafe fand jedoch erst am 5. Februar 1999 statt: Leo Echegary wurde wegen Vergewaltigung seiner Stieftochter mit einer Todesspritze hingerichtet.

Gegen die Todesstrafe

Große Teile der philippinischen Gesellschaft waren gegen die Einführung der Todesstrafe, darunter vor allem viele VertreterInnen der Kirchen, Menschenrechtsgruppen und anderer politischer Vereinigungen. Eine statistische Untersuchung über Todeskandidaten wurde im Mai 1997 von der Koalition gegen die Todesstrafe (CADP) veröffentlicht und fand auch die Unterstützung der Free Legal Assistance Group (FLAG). Die Untersuchung bestätigte den Verdacht, daß die Todesstrafe vor allem gegen sozial Benachteiligte und Menschen ohne Schulausbildung eingesetzt wird. Die offizielle Sprache in der Justiz ist Englisch und die meisten der zum Tode Verurteilten können sich keinen juristischen Beistand leisten. Die Gerichte verhängen übermäßig oft die Todesstrafe, um so die Öffentlichkeit von der Kriminalitätsbekämpfung zu überzeugen, jedoch wäre häufig eine lebenslange Haftstrafe ausreichend.

Die Kommission der Menschenrechte hat ihre eigene Position zur Todesstrafe in der Resolution 091-033 formuliert: Die Todesstrafe sei kein Weg die Kriminalität zu bekämpfen, nur eine bessere Anwendung der Gesetze könnte dies erreichen. Die philippinische Justizverwaltung bräuchte eine neue Basis, was mit der Wiedereinführung der Todesstrafe unvereinbar wäre. Diese könnte keine neue Basis für das Recht bilden – eine sorgfältigere Anwendung anderer Gesetze wäre ausreichend und würde darüber hinaus auch den internationalen Gesetzen für die Menschenrechte entsprechen.

Neuere Berichte von Amnesty International (ai) bestätigen, daß die Polizei Gewalt bei Verhören anwendet, um Geständnisse aus den Gefangenen herauszupressen. Die philippinische Regierung beharrt weiterhin auf der abschreckenden Wirkung der Todesstrafe, was ai jedoch dementiert. ai schlägt eine Reform des Polizeiapparates vor und eine hält verstärkte Anwendung der bestehenden Gesetze für wirkungsvoller. Die Regierung sollte versuchen, die öffentliche Meinung davon zu überzeugen, daß nur solche Reformen zu einer gerechten Gesellschaft führen können.

RepräsentantInnen der katholischen Kirche und ai haben sich mit der Organisation Journey of Hope — from Violence to Healing und den Vereinigungen FLAG und CADP zusammengeschlossen. Am 9. Mai 1999 wurde eine Kampagne gegen die Todesstrafe gestartet. Die Delegation verbreitete ihre Botschaft an der Universität, an Schulen und in Radio und Fernsehen. Auch die Familien der 500 inhaftierten Todeskandidaten wurden in die Kampagne mit einbezogen und kamen zu Wort.

1987: Hoffnung für die Menschenrechte oder nur eine Fata Morgana?

Die Verfassung von 1973, die während der Regierungszeit von Marcos in Kraft trat, beschnitt die Freiheiten der Bevölkerung noch mehr als die Verfassung von 1935. Deswegen erschien die Verfassung von 1987 zuerst als ein Fortschritt, die eine Vergangenheit, die von Gewalt und Terror geprägt war, hinter sich zu lassen schien. Aber wie konnte dann eine Rückkehr zur Todesstrafe diese Hoffnung auslöschen? War die Ratifizierung der internationalen Abkommen über Menschenrechte nicht ein Zeichen von Hoffnung gewesen?

»… neither shall death penalty be imposed unless for compelling reasons involving heinous crimes, the Congress hereafter provides for it …« (Verf., Bill of Rights, Art.3, Sekt. 19, Abs. 1). Die verfassungsgebenden Institutionen hatten die Todesstrafe abgeschafft, außer für extrem abscheuliche Verbrechen, für die der Kongreß gesonderte Gesetze verabschieden kann. Genau diese Ausnahmeregelung machte es möglich, daß die Todesstrafe wieder eingeführt wurde.

1987 ratifizierte die philippinische Regierung den Vertrag über zivile und politische Rechte (ICCP). Wesentlicher Bestandteil dieses Vertrages ist das zweite optionale Protokoll, das 1989 von der UNO-Generalversammlung verabschiedet wurde und direkt das Verbot der Todesstrafe betrifft. Obwohl die philippinische Regierung die Todesstrafe 1989/90 schon abgeschafft hatte und eigentlich das komplette Gesetzpaket unterzeichnet hatte, wurden die oben erwähnten Zusatzprotokolle aus unerklärlichen Gründen nicht in den Vertrag mit eingebunden und wurden auch so nicht zu rechtskräftig.

Diese Haltung wurde auch in einer Sitzung der UNO-Komission für Menschenrechte am 3. April 1997 bestätigt, in der über eine Resolution zur Todesstrafe abgestimmt wurde — die Philippinen enthielten sich der Stimme und verliehen somit ihrer negativen Haltung Ausdruck. Die Philippinen haben 1987 auch die Konvention gegen Folter unterzeichnet. Folter ist auch in der philippinischen Verfassung nach Art. 3, Sekt. 12, Abs. 2 untersagt. Aufgrund dieses Gesetzes ist die philippinische Regierung dazu verpflichtet, nach einer Anklage zu überprüfen, ob die Polizei Folter und Gewalt eingesetzt hat, um ein Geständnis des Angeklagten zu erzwingen.

Das Gesetz wurde 1993 vom Kongress bestätigt und die Öffentlichkeit nahm es als einen Versuch wahr, die Kriminalitätsrate zu senken und die Lebensumstände der philippinischen Bevölkerung dadurch zu verbessern. So gesehen ist die Todesstrafe kein elaboriertes Instrument der Justiz, sondern eher eine instinkthafte, unreflektierte Reaktion. Sie kann nicht helfen, eine Zivilgesellschaft zu bilden, sondern entfremdet die Menschen weiter voneinander.

 

Literaturhinweise und Quellen

 

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Stand: 28. Juni 1999, © Asienhaus Essen / Asia House Essen
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